Dem schnellen Rausch im Abverkauf folgt ein heftiger Kater

Die Bruttowerbeinvestitionen in klassische Werbung dürften 2005 wieder leicht steigen – der so genannten Abverkaufswerbung sei Dank. Landauf, landab wird „rucki-zucki“ mal so eben die Mehrwertssteuer abgeschafft, oder einfach 20 Prozent „Auf Alles“ gegeben. Treiber dieser Schwindel erregenden Verkaufsschlacht ist der Handel, der sich damit zumindest seine Umsätze schön rechnen kann. Eindeutiger Verlierer sind die Markenhersteller, die – wenn sie sich als besonders töricht entpuppen – noch eigenhändig Werbeöl ins Abverkaufsfeuer gießen.

„Die Abverkaufswerbung hat die Marken bildende Werbung als wichtigste Werbeform endgültig abgelöst.“ Nüchtern, sachlich und mit keinem Wörtchen zuviel hat Nielsen Media Research die folgenreiche Wahrheit in diesem Frühjahr ausgesprochen. Wer allerdings geglaubt haben sollte, dies könnte Entsetzen oder vielleicht so etwas wie einen Aufschrei auf den Fluren der Markenartikelindustrie auslösen, der irrt. Es ist wie beim Marsch der Lemminge: Der Handel mit seinem enormen Wettbewerbsdruck prescht vor, die Industrie marschiert brav in Reih und Glied hinterher.

Beispiel Fernsehmarkt: Trotz technischer Revolutionen wie Plasma-TV und LCD-Schirm befinden sich die Preise für diese vom Kunden durchaus begehrten Produkte im steilen Sinkflug. Plastisch ausgedrückt: Den LCD-Fernseher mit 82er Bildschirmdiagonale einer koreanischen Aufsteigermarke gibt es – natürlich ohne „Verarschen beim Preis“ – bereits für 1799 Euro im Angebot. Vor zwei Jahren wäre das Gerät zum gleichen Preis noch halb so groß ausgefallen. Auf der Strecke geblieben sind bei dieser simultanen Innovations- und Preisjagd nicht nur die Hersteller, deren veralteten Röhren-Fernseher mittlerweile zu Spottpreisen verramscht werden. Nein, auch die Margen der vermeintlichen Innovationsmarken gehen in den Keller. Die Marktanteile steigen zwar, aber die Bilanz ist verhagelt. Der Verbraucher indes wartet auf das nächste TV-Großereignis, um das gewünschte Gerät – „rucki-zucki“ – 500 Euro billiger an die Wand nageln zu können. Oder er wartet eben noch ein bisschen. Berechenbar an dieser fatalen Spirale ist allenfalls, dass es weiter bergab geht mit den Preisen – und mit den Margen.

Nun käme es einem Irrtum gleich, allein dem aggressiven Einzelhandel, ob Discounter oder Fachmarkt, den Schwarzen Peter zuzuweisen. Dies belegt ein Blick auf den Automobilmarkt, wo die „Rabattitis“ mittlerweile heftig grassiert, obwohl die Machtposition der Hersteller gegenüber den Händlern sehr viel ausgeprägter ist. Aber auch hier fehlt es nicht wenigen Markenherstellern an Mut und Selbstbewusstsein, Eckpreisstrategien konsequent durchzuhalten. Die Marktforschungsexperten von Nielsen haben für diesen Markt festgestellt, dass die Imagewerbung für Marken um 30 Prozent zugunsten der Werbung für neue Modelle reduziert worden ist. Diese Entwicklung ist zunächst einmal keineswegs Besorgnis erregend, denn auch über den glanzvollen Auftritt neuer Modelle kann das Image einer Automarke erheblich gesteigert werden. Wenn ein Launch allerdings von einem bunten Strauß direkter und indirekter Preisnachlässe begleitet wird und Automobilwerbung mit viel Geschrei Schweinebauchcharakter annimmt, dann lässt der Schaden für die Marke nicht lange auf sich warten.

Wer sich dauerhaft dem Preisrutsch widersetzen will, muss auch auf Marken bildende Werbung setzen; und selbstverständlich auf ergänzende Kundenbindungsinstrumente wie das Internet. Nicht umsonst haben einige deutsche Automobilbauer mit ihren Premiumprodukten diesen Erfolg versprechenden Mix für sich entdeckt. Abverkaufswerbung kann dann sehr effizient sein, wenn sie den (prospektiven) Kunden beispielsweise bei der Einführung neuer Modelle individuell anspricht und abholt; hierfür sind multimediale Lösungen bestens geeignet. Über die großen Massenkommunikationsmittel wie Fernsehen und Print wirkt Abverkaufswerbung hingegen wie Wodka. Dem schnellen Rausch folgt ein heftiger Kater. Tun Sie sich das und Ihrer Marke, die wie ein guter Wein in der Reife immer besser werden sollte, nicht an. Vielleicht sind ja unsere österreichischen Nachbarn in ihrer Begriffsdeutung etwas klüger gewesen: Für die steht laut Duden Abverkauf für Ausverkauf. Wollen Sie den permanenten Ausverkauf?

Über den Autor: Stephan F. Rebbe ist Geschäftsführer der Hamburger Agentur Kolle Rebbe.