„Das Branding wird oft überschätzt“

Plus und Netto sollen nach Aldi und Lidl zur Nummer drei unter den Billiganbietern zusammenrücken. Überrascht das die Berater bei Prof. Homburg & Partner? absatzwirtschaft sprach mit Dr. Nikolas Beutin. Über das "Wer-passt-zu wem?", über das Re-Branding und über die Chancen und Risiken der Marktteilnehmer.

Foto: Dr. Nikolas Beutin, Geschäftsführer und Partner bei Prof. Homburg & Partner (Mannheim, München, Boston)

absatzwirtschaft: Herr Beutin, letzte Woche kündigten Tengelmann und Edeka an, dass sie ihre Aktivitäten im Discount bündeln. Plus, eine Tochter der Tengelmann-Gruppe, und Netto, ein Ableger der Edeka-Gruppe, sollen nach Aldi und Lidl zur Nummer drei unter den Billiganbietern zusammenrücken. Überrascht Sie der Deal?

Dr. Nikolas Beutin: Nein, nicht wirklich. Zum einen wurde über diesen Deal in der Öffentlichkeit schon lange spekuliert. Zum anderen läuft das ‚End Game’ im Handels-Discount-Sektor in Deutschland seit circa zwei Jahren. Letztlich wird vermutlich nur für zwei bis drei Discounter Platz sein. Im Vergleich beispielsweise zu Rewe – die ja auch Interessent waren – passen Edeka und Plus aber besser von der Positionierung, Filialnetz und Unternehmenskultur zusammen.

absatzwirtschaft: Wo sehen Sie die Perspektiven für Edeka nach dem Zusammenschluss?

Dr. Nikolas Beutin: Durch den Merger hat Edeka wieder die Chance, zu Aldi und Lidl aufzuschließen. Das Interessante dabei ist, sich gegenüber den absoluten No-Frill Discountern noch etwas höherklassiger zu positionieren, was sowohl Edeka als auch Plus durchaus bereits versuchen beziehungsweise von der Brand her könnten. Zudem bietet der Merger auch die Chance für ein totales Re-Branding und eine Neupositionierung wie bei E.On und Arcandor. Oder die Fokussierung auf eine Brand wie bei Aral beim Zusammenschluss von BP und Aral. Diese Beispiele zeigen, dass auch vermeintlich ‚wertvolle und lang aufgebaute Marken’ doch häufig nicht so wertvoll sind. Nach unseren Erfahrungen wird das Thema Branding oft überschätzt. Zudem dürften sich natürlich zusätzliche Synergien in Logistik und Einkauf ergeben.

absatzwirtschaft: Was wird dabei auf die Markenartikel-Industrie zukommen? Verschärft sich deren Situation und wenn, wie kann sie sich darauf einstellen?

Dr. Nikolas Beutin: Wie bereits erwähnt wird sicherlich in bewährter Merger-Manier versucht werden, Synergien im Einkauf und in der Logistik zu heben. Die Markenartikler können sich also auf heiße Preisverhandlungen gefasst machen. Sollte eine neue Brand aufgemacht werden, wird sicherlich auch das Thema ‚Ausbau Private Label’ auf den Tisch kommen. Zudem stellt dies natürlich neue Anforderungen an das Key Account und Händler-Management der Hersteller. Im Tagesgeschäft wird sich dann zeigen, welcher Markenartikel-Hersteller es schafft diese Situation zu meistern und unbeschadet zu überstehen. Ich rate den Markenartiklern zu einem proaktiven Umgehen mit der Situation.

absatzwirtschaft: Tengelmann ohne Plus. Wie wird sich die Gruppe künftig aufstellen?

Dr. Nikolas Beutin: Zumindest hat Tengelmann dann das ‚Sorgenkind’ entsorgt und kann sich wieder auf Geschäft statt Sanierung konzentrieren. Grundsätzlich ist der deutsche Lebensmitteleinzelhandel durch den ruinösen Preis- und Konsolidierungskampf zur Zeit ja fast ein ‚Nullsummenspiel’. Wenn Tengelmann das ‚End Game’ in Deutschland allein überlebt, werden sich vielleicht mittelfristig über eine geeignete, kundenorientierte Positionierung auch wieder sinnvolle Margen in Deutschland erzielen lassen.

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