CRM Roundtable: Was leistet CRM für die Customer Journey?

Die Customer Journey und die Customer Experience stehen im Fokus der Unternehmen – Kundenbeziehungen zu pflegen, ist heute Pflichtprogramm. Aber was kann CRM konkret für die Customer Journey leisten? Darüber haben Experten beim CRM Roundtable diskutiert.

Eines ist wohl klar: zu Zeiten der Digitalisierung dürfen wir nicht vergessen, dass der Kunde im Zentrum jeder Strategie stehen sollte. Daraus entstehen natürlich auch viele Herausforderungen an Unternehmen und Hersteller. Was sind die konkreten Herausforderungen von CRM-Projekten im Kontext der Digitalisierung? Welche Möglichkeiten entstehen durch die zunehmende Intelligenz der Systeme? Ist die Automatisierung in dieser Form noch nützlich oder schon zu viel des Guten? Und: Was kann CRM konkret für die Customer Journey leisten? Darüber haben Martin Philipp, Geschäftsführer von SC-Networks, Marcus Ruebsam, Senior Vice President Strategy & Solutions bei SAP Hybris und Markus Blau, Business Unit Manager Customer Engagement & Commerce bei Arithnea, am 27. April in Düsseldorf bei unseren CRM Roundtable, in Kooperation mit der absatzwirtschaft, diskutiert. Moderiert wurde der Roundtable von Christian Thunig, Chefredakteur der absatzwirtschaft.

Christian Thunig: Sie haben in den letzten 20 Jahren – also von Beginn an – die Entwicklung von CRM begleitet. Hier in der Runde sitzen tatsächlich 60 Jahre Erfahrung im CRM. Wie hat sich das Verständnis von Customer Relationship Management (CRM) in den letzten 20 Jahren verändert?

Marcus Ruebsam: CRM war ursprünglich eher eine Erweiterung zum ERP-System, mit dem Kundenbeziehungen gepflegt werden sollten. Durch die sozialen Kanäle, die im Laufe der Zeit aufgetaucht sind und erweitert wurden, reicht ein einfaches CRM-System nicht mehr aus und es wurde ein Umdenken erforderlich – die Automatisierung aller Kundenbedürfnisse ist hier sehr wichtig. Mittlerweile passiert vieles davon mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Die nächste Evolutionsstufe, von der wir sprechen sollten, ist „System of Growth“. Das bedeutet, dass die Informationen nicht mehr nur vom Vertriebler, der den Kunden besucht, stammen. Stattdessen passiert sehr viel durch künstliche Intelligenz und bestimmte Automatismen, die Kundendaten messbar werden lassen.

Martin Philipp: Zurzeit hört man viele Ableger des Begriffs CRM, wie zum Beispiel Customer Experience Management. Die Frage an sich könnte man jedoch in alle Richtungen stellen. Hat sich ERP verändert? Hat sich Dokument Management verändert? Im Endeffekt hat sich – getrieben durch die Digitalisierung – so gut wie alles verändert! Es ergeben sich viel mehr Möglichkeiten, Kundendaten zu erfassen. Und wovon man noch im Jahr 2000, zum Start der New Economy, theoretisch gesprochen hat, ist bereits in der Praxis angekommen. Der Mensch hat sich verändert und so auch sein Kauf- und Informationsverhalten. Daran muss man natürlich auch die Systeme und die Taktik anpassen, mit der man Kundenbeziehungen aufbaut.

Ruebsam: Genau! Die entscheidende Veränderung ist eher der andere Zugang zu Informationen und Angeboten, der uns durch die Digitalisierung gegeben wird. Ein CRM-System hat die Beziehung zwischen dem Kunden und der Marke bisher immer sehr einseitig gemessen. Die Art wie ich diese Kundenbeziehungen pflegen muss, ist aber mittlerweile eine andere. Deshalb sprechen wir bei uns fast gar nicht mehr vom klassischen CRM – wir nennen es „Customer Engagement and Commerce“.

Markus Blau: Das ist ganz faszinierend, denn einige unserer Kunden sind beispielsweise noch gar nicht so weit, um über ein CRM-System hinaus zu denken und arbeiten tatsächlich noch mit Excel und Outlook. Um den Vertrieb ordentlich zu strukturieren und alle Sales-Opportunities nutzen zu können, ist ein CRM-System essenziell. Durch die ganze Automatisierung, die wir zurzeit erleben, glaube ich, dass auch weiterhin CRM-Systeme als Basis bestehen werden. Wir sollten nur weiter denken in Richtung Customer Engagement und Experience Management, sodass ich meine Kunden noch besser verstehen und den konkreten Bedarf ermitteln kann. Was aber immer wichtig bleibt, ist der Vertriebler, der die Opportunity mit allen Facetten vorantreibt und am Ende natürlich zum Abschluss bringt.

Bei Ihnen, Herr Ruebsam, klang es so, als würde es sich in Richtung Customer Engagement Management weiterentwickeln, das dann CRM ablösen wird. Bei Ihnen, Herr Blau, klang es eher so, als wäre CRM weiterhin die Basis, auf der dann weiter in Richtung Customer Engagement aufgesetzt wird. Wie ist hier nun die genaue Abgrenzung von CRM zu Customer Engagement und Customer Experience?

Ruebsam: Ich glaube, wir sprechen hier eher von einer künstlichen Abgrenzung. Egal wie wir es nennen, im Endeffekt summiert sich alles als Customer Experience und das Große und Ganze ist immer noch das Vertriebsmanagement, das mit den nötigen Tools unterstützt werden muss. Zumindest solange es noch nötig ist, denn keiner weißt momentan, was noch alles digitalisiert werden kann und wird. Dadurch, dass die Systeme immer intelligenter werden, werden im Endeffekt auch neue Businessmodelle gebraucht. Bei vielen neuen Softwarebauern aus dem Silicon Valley wird die Software zum Beispiel bereits so gebaut, dass der Kunde eigentlich keinen Vertriebsmitarbeiter mehr sehen muss. Diese disruptiven Prozesse funktionieren mittlerweile auch schon in ganz anderen Industrien, wie zum Beispiel bei Airbnb.

Für das CRM werden also Touchpoints und der 360-Grad-Blick auf den Kunden immer wichtiger. Welchen Wertbeitrag kann CRM explizit hinsichtlich der Customer Journey leisten? Wo sind die Möglichkeiten und wo die Grenzen für CRM?

Philipp: Die Zielsetzung von CRM war es schon immer, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen – also einen 360-Grad-Blick auf den Kunden zu erhalten. Gerade durch die Veränderung des Kauf- und Informationsverhaltens wird es nun aber zunehmend wichtig, die unzähligen Touchpoints – angefangen von Websites über Social Media bis hin zum Point of Sale – zu betrachten und in die Kommunikation miteinzubeziehen.

Ruebsam: Das Entscheidende bei all den Veränderungen ist immer, den Kunden am Ende zu begeistern und ihm dem nötigen Content auf dem richtigen Kanal zu liefern. Um immer auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen zu können, müssen wir also vom CRM in das Customer Experience Management übergehen. Momentan können es CRM-Systeme nicht leisten, diese Kundenprofile mit allen Kanälen und Informationen zentral zu managen – ich habe noch kein CRM mit einem integrierten Content Management System gesehen. Wir müssen also einen Schritt weiter gehen als nur CRM, um uns als Marke um die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden auf seiner Journey kümmern zu können.