Claudia Michalski: „Männer brauchen ein neues Frauenbild“

Die Geschäftsführerin der Verlagsgruppe Handelsblatt, Claudia Michalski, behauptet sich seit mehr als 20 Jahren als Führungskraft. Als Frau habe sie dabei unter anderem die Erfahrung gemacht, dass männlich geprägte Unternehmenskulturen zu sehr an alten Rollenbildern hängen. Mit absatzwirtschaft sprach sie über hohe Erwartungen, Selbstmarketing und tiefe De­kolle­tés
Claudia Michalski über die Männerdomäne und Frauenquote

Claudia Michalski ist seit Mitte 2012 Geschäftsführerin der Verlagsgruppe Handelsblatt, wo sie insbesondere den Ausbau der B2B-Fachmedien verantwortet. Hierzu gehört auch die Meedia GmbH, unter deren Dach die Absatzwirtschaft erscheint. Zuvor leitete die Medienmanagerin die DIN Bauportal GmbH, eine Mehrheitsbeteiligung des Beuth Verlags. Michalski verlässt ihre derzeitige Position zum Ende des Jahres, um 2016 als neue Mehrheitsanteilseignerin die Leitung der OMC Ortleb Management Consulting GmbH in Berlin zu übernehmen.

Frau Michalski, im nächsten Jahr wollen Sie sich in Ihrem Unternehmen OMC Berlin unter anderem der Beratung von Frauen in Managementpositionen annehmen. Warum?

Es ist mir ein wichtiges Anliegen, weil ich nicht glauben kann, dass es nicht besser geht als jetzt. In anderen Ländern ist es kein Problem, dass Frauen Karriere machen und gleichzeitig Familie haben. Nur bei uns wird so ein Aufsehen darum gemacht.

Was ist in Ihren Augen das zentrale Problem?

Es heißt immer, Frauen müssen sich ändern. Das sehe ich nicht so. Für mich ist es vor allem die männlich geprägte Unternehmenskultur, die sich ändern muss: Männer brauchen ein neues Frauenbild.

Woher kommt diese Annahme?

Ich beobachte, dass Männer Angst vor starken Frauen haben. Das hat auch damit zu tun, dass die meisten Manager zuhause eine durchaus klassische Arbeitsteilung erleben. Deren Frauen kümmern sich um die Familie, den Haushalt und erfüllen damit das alte typisch weibliche Rollenbild. Treten Sie aus diesem Bild heraus, sind Männer oft irritiert.

Wie äußert sich das im Berufsalltag: Haben Sie das Gefühl, dass Frauen weniger ernst genommen werden?

Frauen werden häufig als schmückendes Beiwerk gesehen, zur Erfüllung der Quote. Das ist Greenwashing in meinen Augen. Kurzfristig hilft auch die Quote da nur bedingt. Sie verstärkt vielmehr das Gefühl der Männer, dass man ihnen mühsam erarbeitete Privilegien wegnimmt. Sie geben dann vor, Frauen unbedingt an Bord holen zu wollen, kommen aber nicht mit ihnen klar. Mittelfristig werden wir aber ohne Quote nicht weiterkommen. Da müssen die Männer dann durch.

Woran liegt das?

Eigentlich wollen Männer ihre Position nicht abgeben oder teilen, sie haben es sich dort bequem gemacht und Angst vor Veränderung. Denn dazu müssten sie aus ihrer Komfortzone heraus. Wenn sie mit Frauen arbeiten wollen, funktioniert das kumpelhafte Schulterschlagen nicht mehr. Dann muss Mann sich wirklich mit der Andersartigkeit von Frauen auseinandersetzen.

Wie wichtig ist vor diesem Hintergrund das Selbstmarketing von Frauen für den beruflichen Erfolg?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen im Selbstmarketing schwächer sind. Weil sie gemeinhin stärker an der Sache interessiert sind, es geht ihnen um das Wohl des Unternehmens und inhaltlichen Erfolg. Frauen denken erst im zweiten Schritt an den eigenen Karrierefortschritt – im Gegensatz zu Männern.

Gab es bei Ihnen diesen Moment, in dem Ihnen klar geworden ist: Um weiter zu kommen, muss ich etwas ändern?

Ja. Ich habe, genau wie viele andere Frauen, lange gedacht: Wenn ich gut in dem bin, was ich tue, werden das andere merken. Das stimmt leider nicht. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich als Verlagsmanagerin sichtbarer werden muss, um wahrgenommen zu werden. Als Konsequenz habe ich eine Verbandstätigkeit angenommen. Dabei darf man keine Angst vor dem Kopfplatz bei Sitzungen haben und muss von vorne herein klar machen, dass man auch was zu sagen hat. Viele Frauen haben da Ängste. Das Netzwerk jedenfalls konnte ich auf meinem weiteren Weg sehr gut nutzen.

Wie behauptet man sich als Frau in einer „Männerdomäne“?

Das ist gar nicht so einfach. Grundsätzlich würde ich sagen: Bloß nicht zu verbissen sein! Man muss die Mechanismen der Männerwelt durchschauen, um sie durchbrechen zu können. Das bedeutet, herauszufinden, wie sie ticken, ahnen, was sie hinter verschlossener Tür über einen reden. Das ist alles politisch unkorrekt, da können Sie sich sicher sein. Da muss man eine gewisse Schmerztoleranz mitbringen und Durchhaltevermögen beweisen.

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang außerdem Humor und ein gewisses Maß an (Selbst-)Ironie. Weil man selbst besser mit der Situation zurecht kommt, aber auch den Umgang erleichtert. Manchmal betrete ich ein Meeting mit dem Spruch „Guten morgen, hier kommt die Quote!“. Das ist dann nur bedingt lustig gemeint, es spricht aber aus, was alle denken. Davon kann man profitieren. Es ist immer eine Gratwanderung. Eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung ist allerdings hilfreich, statt zu verkniffen an Dinge heranzugehen.

Wer zu verkniffen daher kommt, wird als Frau auch gerne und schnell in die Schublade „Zicke“ gesteckt.

Ja, aus dem Dilemma kommt man auch nicht raus. Da wird insgesamt unterschiedliches Maß angelegt. Das geht auch in die andere Richtung: Wenn sie als Frau ein Foto von den Kindern auf den Schreibtisch stellen, gelten sie als Weichei und Ihre Kompetenz wird wohlmöglich angezweifelt. Machen Sie das als Mann, gelten Sie als sympathisch und familienfreundlich.

Wird von Frauen mehr erwartet als von ihren männlichen Kollegen?

Frauen stehen viel stärker unter Beobachtung. Auch, weil sie nicht dem Standard entsprechen. An dem Thema Kleidung kann man das schön veranschaulichen: Wenn ein Mann leger sein will, zieht er im Normalfall seine Krawatte aus. ‚Casual’ wiederum bedeutet: Jeans, helles Hemd, Jackett – es gibt völlig klare Regeln, an die sich jeder hält. Als Frau haben Sie es da weitaus schwerer. Im Hosenanzug heißt es, Frau wolle besonders männlich wirken. Im Kleidchen wird darüber getuschelt, dass sie Bein zeigt. Trägt Frau hochgeschlossen, gilt sie als prüde, mit De­kolle­té heißt es: ‚Die versucht aber auch alles’. Letztlich können Sie es eigentlich nicht richtig machen.

Sehen Sie da Hoffnung für die Zukunft?

Meine Nichte fragte mich neulich, warum ich so oft Frauenthemen auf Facebook poste. Da habe ich gemerkt, dass ihr überhaupt nicht bewusst ist, wie stark Frauen in der Vergangenheit kämpfen mussten, um beruflich voranzukommen. Die nachfolgende Generation geht da mit einer größeren Selbstverständlichkeit dran – Frauen und Männer. Es gibt ja mittlerweile auch zahlreiche Väter, die mehr Zeit zuhause verbringen wollen. Insofern sehe ich da einen Wandel, ja. Es ist jedoch ein langwieriger Prozess, der aber auch durch die Digitalisierung und die damit verbundene Unabhängigkeit von Ort und Raum immer einfacher wird. Das sollte man begreifen: dass man das Arbeitsleben in Zukunft viel stärker selbst gestalten kann.