Chinas Marken schlagen zurück

Erweisen sich die Quick Hits der Global Brands in China als Täuschung? Für eine Zeit verdrängten internationale Angebote die regionalen Produkte. Jetzt sind die lokalen Marken wieder da.

Der Aufbau und die Positionierung starker Marken auf internationalem Parkett mit weltweit einheitlichen oder zumindest sehr ähnlichen Marketing-Konzepten hat bis heute seinen Charme nicht verloren. Spätestens seit der vieldiskutierten „Path to Growth“-Strategie von Unilever, in deren Rahmen der Konzern die Bereinigung des Markenportfolios zugunsten internationalisierungsfähiger Kernmarken ankündigte, stehen Global Brands (wieder) im Zentrum des Interesses.

Die Argumente sind schlagend: Größenvorteile in der Produktion, einheitliche Positionierung und Kostenersparnisse beim Marketing sind nur einige der Vorteile, die Internationalisierungsstrategen in der Markenführung ins Feld führen. Beinahe alle Global Player setzen derzeit auf die Entwicklung ihrer internationalisierungsfähigen Marken. Gerade vor dem Hintergrund der Emerging Markets Osteuropa und Russland, allen voran aber in China scheint sich das Konzept erneut zu bewähren.

Im Fokus der Global Brands: China
Die Idee, dass Top-Marken universell sind und sich im Idealfall im Rahmen einer internationalen Markenführungsstrategie weltweit einsetzen lassen, scheint auch in China Erfolg zu versprechen. Und tatsächlich, in den Hypermärkten des bekannten französischen Großflächenspezialisten in Peking, Shanghai, Guangzhou oder Wuhan zeigt sich, dass in vielen Warenbereichen vertraute Marken dominieren. In relativ kurzer Zeit setzten sich die Global Brands – allen voran Schwergewichte wie Coca Cola, Danone oder McDonalds gegen ihre lokalen Konkurrenten durch.

Auch in anderen Branchen, von der Automobilindustrie über Computer bis hin zu Mobiltelefonen, konnten internationale Konzerne die chinesischen Konsumenten von ihren Marken überzeugen. Dabei zählten vielfach neben dem Prestige-Effekt, der das Markenimage ausländischer Marken in China noch immer dominiert, auch der technische Vorsprung der Produkte. Die rasanten Wachstumsraten und die in relativ kurzer Zeit errungenen teils hohen Marktanteile scheinen die Überlegenheit der internationalen Markenpolitik zu bestätigen.

Die Gefahr des Brand Roll Back
Und doch erkennen Marktbeobachter in der VR China – wie in vielen anderen Emerging Markets – eine Renaissance der lokalen Marken. Sollten sich die Quick Hits der Global Brands auf dem chinesischen Konsumgütermarkt doch als Täuschung erweisen? Fest steht: Viele Global Brands konnten sich in China relativ schnell beachtliche Marktanteile sichern. Allerdings gibt es Anzeichen, die auf Schwierigkeit hindeuten, gegenüber bestehenden lokalen Marken dauerhaft zu bestehen. Häufig erwachen die Local Champions nach kurzem Dornröschenschlaf gestärkt und gewinnen Marktanteile zurück. Ähnliche Erfahrungen beobachten international tätige Konsumgüterhersteller in anderen Emerging Markets. Sie berichten von Rückschlägen, die neu eingeführte internationale Angebote einige Zeit nach der Marktöffnung oder Markterschließung erleben (Brand Roll Back).

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Definition „Brand Roll Back“

Der Brand Roll Back beschreibt das Phänomen rapider Marktanteilsverluste internationaler Marken (Global Brands) in Emerging Markets zugunsten von (wieder erstarkenden) lokalen und regionalen Marken. Nach einer Phase dauerhaften Wachstums der Global Brands und einer Verdrängung regionaler Angebote, gewinnen lokale Marken (Local Champions) aufgrund verschiedener unternehmens- und konsumbezogener Faktoren (technologisch-qualitatives Catching-Up; psychologische und sozio-strukturelle Motive) teils erhebliche Marktanteile auf Kosten der internationalen Marken (zurück).

Anhand der Analyse verschiedener Emerging Markets lassen sich allgemeine Rückschlüsse auf das Phänomen des Brand Roll Back ziehen. Sie führen zu einem Modell, das darstellt, durch welche Phasen Unternehmen bei der Einführung globaler Marken in China gehen. (Abbildung 1: Schematisierter Verlauf des Brand Roll Back).

  • In der ersten Phase der Marktöffnung ergibt sich eine strategische Option zum Marktöffnung (etwa der WTO-Beitritt Chinas, der für viele internationale Konzerne allerdings nur das letzte Zeichen einer weitreichenden ökonomischen Liberalisierung war).
  • In einer zweiten Phase entstehen Markenpräferenzen für die neuen Global Brands beim Konsumenten. Vielfach werden in China die neuen Marken und Produkte als leistungsstärker wahrgenommen und sind zudem den lokalen Marken bzw. unmarkierten Artikeln in den Bereichen Funktionalität und Design überlegen.
  • Im Rahmen der dritten Phase, der Verdrängung etablierter Marken, kommt es durch den erhöhten Wettbewerbsdruck zu einem Push Out-Effekt der heimischen Marken. Durch die neue Konkurrenz werden viele chinesische Marken vom Markt ganz oder teilweise verdrängt, unmarkierte Produkte verlieren dauerhaft an Boden.
  • Die vierte Phase ist durch das eigentliche Phänomen des Brand Roll Back gekennzeichnet. Zum einen entwickeln die Konsumenten zunehmend ein „Nostalgiegefühl“ für alte, traditionelle Marken, die als „Geheimtipp“ wieder an Popularität gewinnen. Zum anderen schließen die chinesischen Marken in Bezug auf technische Leistungsmerkmale und Qualität zu den ausländischen Marken auf oder überholen diese sogar. Darüber werden sie zumeist deutlich günstiger angeboten, so dass das Preis-Leistungs-Verhältnis insgesamt als besser
    beurteilt wird. Alte Traditionsmarken oder neu etablierte lokale Marken übernehmen so die Rolle des Herausforderers und dies häufig mit viel Erfolg. Sie sind nahe an den ausländischen Marken positioniert, profitieren aber z. T. vom
    Patriotismus der Verbraucher, dem näheren Kontakt zum Markt, besser angepassten Vertriebsstrukturen und dem besseren Verständnis der Marketing- Manager für lokale Konsumentenbedürfnisse.
  • In einer abschließenden fünften Phase kommt es zu einer vorläufigen Konsolidierung des Marktes. Die errungenen Marktanteile verfestigen sich, der Markt tritt in eine Konsolidierungsphase ein, in der bestehende Positionierungen ausgebaut und besetzt werden.

Die aufgezeigte Gefahr des Brand Roll Back gilt für viele Teilbereiche des chinesischen Konsumgütermarktes. In der langwierigen Öffnungsphase seit 1979 etablierten sich eine Vielzahl von globalen Marken, denen es gelang, in der folgenden Verdrängungsphase auf Kosten der traditionellen Marken Marktanteile zu gewinnen (Push Out-Effekt). Speziell im Bereich der markierten Lebensmittel gelang es jedoch lokalen Traditionsmarken – aber auch neueingeführten chinesischen Marken – die Gunst der Konsumenten zurückzugewinnen. Ihre Stärken: Der nähere Kontakt zum Markt und hinsichtlich Geschmacksgestaltung, Packaging und Preis das bessere Verständnis für „ihre“ Kunden. Auch verfügen sie über den besseren Zugang zu den Distributionskanälen, die vielfach bis in kleinere Städte des Hinterlandes reichen und auch noch kleinste Outlets versorgen.

Derzeit sind lokale Marken in China in vielen Warenbereichen so erfolgreich wie nie. Darüber hinaus erhalten sie Unterstützung durch die chinesische Regierung: So hat das einflussreiche MOFCOM (Ministry of Commerce) jüngst ein Programm zur Identifikation, Authentifizierung und Förderung von „vintage brands“ beschlossen. Die Initiative will in den nächste drei Jahren bis zu 1000 chinesischen Marken die Auszeichnung „Traditionsmarke“ verleihen und diese entsprechend fördern.

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Fallbeispiel
China ist mit einem Gesamtumsatz von 71,93 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 der größte Telekommunikationsmarkt der Welt. Der Mobilfunk hat hier bereits eine deutlich größere Bedeutung, als das Festnetz. Die technische Überlegenheit der internationalen Produzenten führte in den Anfangsjahren zu einer marktbeherrschenden Stellung der internationalen Marken mit Marktanteilen von zeitweise bis zu 98 Prozent. Erst im Laufe der späten neunziger Jahre gelang es lokalen Anbietern (TCL, Haier, Bird, etc.), die technologische Lücke zu schließen und eigene Geräte einzuführen.

Nach ihrem Markteintritt gelang es ihnen schnell, ihre Marken konsumentennah zu positionieren und im Preiseinstiegssegment Marktanteile zu gewinnen. Gerade der enge Kontakt zum Kunden und die Anpassung des Designs und der Funktionalität bescherten den chinesischen Produzenten rasches Wachstum, sodass sie Marktanteile von knapp 60 Prozent erreichten. Erst als die internationalen Konzerne ihre Modell- und Markenpolitik deutlich lokal anpassten, gelang es, diesen Trend zu stoppen. Insgesamt ist der Markt heute deutlich kompetitiver.

Insgesamt begann der Brand Roll Back in diesem Bereich mit der technischen Dominanz der internationalen Produzenten (Abb. 2: Technologisch bedingter Brand Roll Back am Beispiel Mobiltelefon). Die heimische Konkurrenz musste sich zunächst im Rahmen eines längeren Lernprozesses (Phase III) das notwendige technologische Know-How sichern, um in den Markt eintreten zu können. Diese Phase des technologischen Catch-Up ersetzt in diesem Beispiel die Push-Out-Phase in anderen Branchen. Gleichwohl bleibt das Grundprinzip des Brand Roll Back bestehen.

Insgesamt manifestiert sich der Brand Roll Back in China (siehe Abbildung) in den einzelnen Warengruppen bezogen auf Ausmaß und Stärke unterschiedlich. Dabei sind auch die Triebkräfte verschieden und nicht einfach zu ermitteln. Selbst erfahrene Brandmanage kann das Phänomen des Brand Roll Back überraschen. Auch wenn das Ausmaß der Marktanteilsverluste unterschiedlich hoch ausfällt, die Herausforderungen, die fdie Markenführung erwartet, sind beachtlich.

Autoren:
Dr. Matthias Schramm ist Partner in der auf den chinesischen Wirtschaftsraum spezialisierten Unternehmensberatung THINK!DESK China Research & Consulting, er ist dort verantwortlich für den Bereich Marketing und Marktforschung in der VR China.

Dr. Achim Spiller ist Professor an der Universität Göttingen, er leitet dort den Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte und hat sich unter anderem auf Markenführung im Lebensmittelbereich spezialisiert.

eingestellt am 25. Oktober 2006