Chief Customer Officer – der Treffpunkt der Bosse

IBM bringt es auf seiner Website auf den Punkt: „Wenn Sie sich ein Bild davon machen möchten, wie der Marketingbereich in Zukunft aussehen wird, sollten Sie sich mit seinen Wurzeln beschäftigen. Im Kern basierte Marketing seit jeher auf einfachen Prinzipien: den Kunden verstehen, seine Anforderungen erfüllen und dies auf eine Weise, die Vertrauen erzeugt.“ Doch IBMs Antworten sind nicht radikal genug gedacht.
Portrait reihe mit gelben Hintergrund für den Geschäftsführer der Werbeagentur IFAM

In einer weltweiten Chief Marketing Officer (CMO) -Studie mit 1.700 Marketing-Experten wurde herausgeschält, dass „Big Data“ die Auslöser von neuem Marketing sind. Es ist jetzt möglich, so die Studie, nicht mehr nur „Zielgruppen“ anzusprechen, sondern aus Daten von Transaktionen, Social Media, Services und Suchmaschinen ein neues Kundenbild und daraus ein besseres Verständnis für Kunden zu entwickeln. Doch was genau könnte das heißen?

Kundenwünsche nicht mehr beeinflussen

Früher, so IBM, habe man versucht, Kundenwünsche zu beeinflussen (und die meisten tun es immer noch). Jetzt lernen CMOs, diese Wünsche vorauszusagen. Doch das ist nicht wirklich der Kern. Denn Kundenwünsche in der Kohorte zu erkennen, ist kein besonders spannendes Phänomen. Die moderne Technologie lässt es zu, im Sinne des Customer Centricity die Wünsche des Einzel-Kunden zu analysieren und prognostizieren. Und zwar nicht nur in Einzelmomentaufnahmen, sondern in der dynamischen Veränderung. Nicht nur Jahr für Jahr, sondern Tag für Tag, ja sogar Sekunde für Sekunde werden Daten in Echtzeit erhoben und systematisch verglichen.

IBM definiert eine neue Rolle des CMO von den Daten her und fordert intelligentes Marketing. Der argumentative Fokus dieser Diskussion ist jedoch (noch) nicht der Einzelkunde, sondern das Datenmaterial, das zum Einzelkunden führen kann. Es ist darum im Kern auch kein wirklicher Change-Prozess im Gesamtunternehmen gemeint, sich auf den Kunden einzuschwingen – sondern letztendlich ein handwerklich technisches Verfahren. Das ist aber nur der erste Schritt.

Der Chief Customer Officer ist frei von Bereichen

In vielen Unternehmen ist weiterhin der Chief Marketing Officer unterhalb des Vorstandes angesiedelt. Marketing hat sich als „Marketing gleich Denkhaltung durch das ganze Unternehmen“ nicht durchgesetzt. Marketing-Bereiche und -Abteilungen haben Marketing übernommen. Und damit ist es eingekapselt und durchdringt nicht das Bewusstsein aller Unternehmensfunktionen. Erst recht nicht werden aus dem Marketing Konsequenzen für alle Unternehmensbereiche gezogen. Der Marketing-Bereich ist oft ein perfektes Beispiel für die ökonomische Theorie der Organisation, die besagt, dass der Bereich zum Selbstzweck wird und seine interne Organisation und interne Anschauung gegenüber den eigentlichen Zielen und Zwecken des Unternehmens in den Vordergrund stellt. Aus dieser Position heraus ist es real in den meisten Unternehmen schier unmöglich, als Vorstand Marketing oder CMO durch das gesamte Unternehmen zu wirken.

Der Chief Customer Officer (CCO) oder der Vorstand für Customer Centricity ist frei von Bereichen und richtet durch (!) Marketing, Vertrieb, Kommunikation, Disposition, Produktion, Logistik bis zu Forschung und Entwicklung das gesamte Unternehmen auf den Kunden, am besten auf den Einzelkunden aus. Und nur das ist angemessen. Denn wie Sam Walton der Gründer von Wal-Mart richtig feststellte: “There is only one boss. The customer. And he can fire everybody in the company from the chairman on down, simply by spending his money somewhere else.” – CCO als Treffpunkt der Bosse.

Über den Autoren: Malte W. Wilkes ist Seniorpartner der Management Consultancy Erfolgsketten Management Wilkes Stange GbR in Hamburg, Redner, Moderator, Diskutant, zigfacher Buchautor, Pionierexperte in Customer Centricity sowie Ehrenpräsident des BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater.