„Bis alle auf KI zugreifen, werden noch Jahre vergehen“ – Professorin Bünte über die Zukunft des Marketings

Prof. Claudia Bünte die an der staatlich anerkannten Hochschule SRH/International Management University in Berlin lehrt, hat die Studie „KI – die Zukunft des Marketings“ durchgeführt. Im asw-Interview gibt Sie Einblicke in die wichtigsten Erkenntnisse, wie die neuen Kernaufgaben im Marketing, warum echter Content mehr wert ist und den „Hype“-Faktor von KI.
Claudia Bünte ist seit Oktober 2016 Professorin und Studiengangleiterin für „International Business Administration“ mit Schwerpunkt Marketing und KI an der SRH in Berlin

Professorin Claudia Bünte führte eine Online-Befragung von 208 Marketing Manager durch, darunter 54 Prozent Führungskräfte und CMO. Eines der wichtigsten Ergebnisse: 80 Prozent der befragten Marketing Manager glauben, dass Künstliche Intelligenz (KI) im Marketing wichtig ist. Jedoch nutzen nur 26,5 Prozent überhaupt KI in ihrer täglichen Marketing-Arbeit, verschwindend geringe sieben Prozent nutzen es intensiv. Der Hype um KI im Marketing steht damit diametral zur aktuellen Nutzung. Bünte führte die Studie an der staatlich anerkannten Hochschule SRH/International Management University in Berlin durch (hier geht´s zur Studie).

Frau Bünte, wo genau liegt die Diskrepanz in der Wahrnehmung von KI und ihrer aktuellen, eher geringen Nutzung im Marketing?

CLAUDIA BÜNTE: Auf der einen Seite bietet KI eine Vielzahl an Vorteilen für Marketing Manager: Einmal bei den inhaltlichen Aufgaben, wie zum Beispiel dem schnelleren und besseren Interagieren mit Kunden oder dem Auswählen der besten Werbebotschaften je Kundengruppe. Dann auch bei den strukturellen Aufgaben, wie zum Beispiel Marketing ROI oder dem Erheben und Auswerten von Kundendaten. Auf der anderen Seite haben sich bisher noch keine Standards herausgebildet. Die großen Anbieter wie zum Beispiel Adobe arbeiten gerade an der Integration von KI in ihre Standardprodukte, und Startups wie beispielsweise Albert werben für neue Tools – als Marketing Manager kann man also aus einer Vielzahl von Tools und Versprechungen auswählen. Zudem wird das Thema gerade sehr „geKernaufgaben im Marketing“ und erzeugt Aufmerksamkeit – einige Anbieter von Tools im Marketing springen deshalb auf den Zug und rufen „KI“, obwohl gar keine lernenden Elemente enthalten sind. Dadurch ist es schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Last but not least basiert KI stark auf Daten und Analysen. Für einige Spezialisten im Marketing ist der Umgang mit Zahlen, Daten und Fakten nicht unbedingt eine „unmittelbare Komfortzone“.

Und wie schnell wird sich Ihrer Meinung nach die Zahl der KI-Nutzer nach oben entwickeln, denn die „Einsicht“ ist ja vorhanden?

Ich denke, das geht relativ schnell. Marketing Manager sind in der Regel sehr probierfreudig und neuen Tools aufgeschlossen. Wenn wir die Befragung in einem Jahr noch einmal erheben, werden alle sagen, dass sie ein hohes Wissen von KI haben und mehr als die Hälfte wird es intensiv, zumindest bei bestimmten Kernaufgaben im Marketing, einsetzen. Bis alle in jedem Schritt auf KI zugreifen, werden aber noch einige Jahre vergehen.

In welchen Bereichen wird KI im Marketing-Alltag in ein paar Jahren eingesetzt?

Auch hier ist wieder erstaunlich: insgesamt mehr als heute. Aber wieder vor allem dort mehr, wo KI heute schon mehr im Einsatz ist. Und in der Strategie beziehungsweise Planung wieder eher weniger. Dies ist aber logisch erklärbar: Damit eine KI sinnvoll trainiert werden kann und ab einem bestimmten Zeitpunkt selbständig lernt, sind Unmengen an hochwertigen Daten nötig. Bei Kundendaten sind diese Infos noch am ehesten vorhanden – und kein Wunder, dass Google Home, Alexa von Amazon und demnächst auch ein Angebot von Apple sich aktuell darum bemühen, als erster in unsere Wohnzimmer zu kommen, also noch mehr Daten zu generieren als heute schon über Smartphones oder Onlinesuchen im Netz möglich ist. Wer hier in den meisten Wohnzimmern steht, wird den Datenwettlauf gewinnen und damit die beste Startposition für KI und potentiell besten Kundennutzen entwickeln. Nur – um KI auch in Strategie und Planung einsetzen zu können, würde es eine Vielzahl von Unternehmens-Strategie-Daten bedürfen. Und welches Unternehmen teilt schon aktiv mit Wettbewerbern seine Langzeit- oder Kurzzeitplanung?

Wie werden sich die Marketing-Teams der Befragten zukünftig verändern?

Die Befragten gehen davon aus, dass die Teams sich in ihrer Struktur verändern werden und zusätzlich Spezialisten für KI Teil des Teams werden, sogenannte Data Analysts oder Data Scientists. Eine Verringerung der Teams wird eher nicht vermutet. 

Welche Annahmen der Befragten überwiegen, wenn es um die Kreativen innerhalb von Marketing-Teams geht?

Nur 13 Prozent der Marketing Manager gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Kreativen verringern wird. Das ist erstaunlich, wenn man sich die verschiedensten aktuellen Angebote ansieht, bei denen KI bereits heute Content anbieten kann, der für den Laien nicht von „echter“, also von Menschen entwickelter Kreativität zu unterscheiden ist.

Wie erklären Sie sich, dass vor allem große Unternehmen, die zum Teil Marktführerschaft besitzen, sowie auch kleine Unternehmen KI stärker nutzen als die Marketing-Manager im mittleren Größen- und Erfolgssegment?

Unternehmen, die groß und eher Marktführer sind, nutzen laut unseren Analysen KI sehr stark und haben tendenziell mehr Data-Driven Optimists und Strategists im Marketing; ihr Fokus liegt vermutlich mehr auf der datengetriebenen, langfristigen Nutzung von KI.

Unternehmen, die klein sind, nutzen tendenziell auch mehr KI; diese Unternehmen haben tendenziell mehr Pragmatiker in den Marketingabteilungen. Hier wird KI vermutlich eingesetzt, um die tägliche Routine so zu reduzieren, sodass sich die Marketing Manager verstärkt um die inhaltlichen Themen kümmern können.