Barack Obama zu Gast bei der Hannover-Messe: Hauptkonkurrent USA ist Partnerland

Bei der weltweit wichtigsten Industriemesse am führenden Industriestandort Deutschland ist ausgerechnet einer der größten Herausforderer, die USA, Partnerland und schickt keinen minderen als Präsident Obama zur Eröffnung. Das zeigt, welchen Stellenwert die Hannover Messe für die USA als größte Volkswirtschaft der Welt hat
Barack Obama ist gerade in Europa unterwegs und wird auch zur Hannover Messe kommen

 Von Jürgen Gietl, BrandTrust

Es kommt zum Showdown der derzeit führenden Industrienationen, wenn es um Industrie 4.0 geht.

Im Wandel steigt die Sehnsucht nach Halt

Die Messe findet in einer Zeit statt, in der Wandel zum Tagesgeschäft geworden ist. Doch wie groß wird der Wandel sein, den der Technologiestandort Deutschland und die dort ansässigen Weltmarktführer noch vor sich haben?

Laut einer aktuellen Bitkom Studie mit 500 Top-Managern von Industrieunternehmen stehen die USA bei Industrie 4.0 knapp vor Deutschland, zumindest in der Einschätzung der Befragten. Gastgeber Made in Germany trifft auf Partnerland und Herausforderer USA. Die Frage ist, in welchen Branchen die USA dem Standort Deutschland in den nächsten Jahren den Rang ablaufen wird. Die IT und Kommunikationsbranche hat den Wettbewerb schon hinter sich. Sie hat ihn gegen die amerikanische und asiatische Industrie verloren. Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich die Talentstruktur und das Wertesystem der beiden Nationbrands Deutschland und USA einmal genauer ansieht. Auf der einen Seite die hochqualitative, zuverlässige, technologisch führende Marke Made in Germany, auf der anderen Seite die kreativen, IT kompetenten und marketinggetriebenen USA mit dem digital melting pot Silicon Valley. Da war es nur eine logische Folge, dass die wertvollsten digitalen Marken der Welt in den USA geschaffen wurden.

Positionierung in Zeiten des Wandels

Was bedeutet das für die Zukunft von Industrie 4.0? Wer wird dort die Vorherrschaft halten? Man wird sich nicht auf rein deutsche Tugenden und Werte verlassen können. Unternehmen müssen sich klar werden, wofür sie in Zeiten von Industrie 4.0 stehen wollen, wie sie sich positionieren können, sollen und müssen. Und sie müssen sich überlegen, wie sie einerseits die Agilität erhöhen und wie Mitarbeiter schneller, kundenzentrierter und inspirierter innovieren. Gleichzeitig benötigen sie mehr Stabilität, da sich in unsicheren, schnell verändernden Rahmenbedingungen für Mitarbeiter die Sehnsucht nach Stabilität steigern wird. Wie die BrandTrust Studie „Made in Germany 4.0“ gezeigt hat, schaffen gut definierte und geführte Marken gerade für Technologieunternehmen die Voraussetzung, sowohl die Agilität als auch die Stabilität dieser Unternehmen direkt zu beeinflussen. Doch halt: Das funktioniert nicht, wenn Marken nur als Logo, Kommunikationsblase oder Werbemittel missverstanden werden.

Marke als unentdecktes Führungsinstrument in unruhigen Zeiten

Amerikanische Unternehmen nutzen Marke meist als Marketinginstrument. Und amerikanische Weltmarken nutzen ihre Marke vor allem als Führungsinstrument. Die Markenwerte dienen als Handlungsrahmen für Führungskräfte und Mitarbeiter. Sie wissen genau, wie sie sich in diesem Rahmen zu bewegen haben. Und sie nutzen die Zukunftspositionierung als Fixstern, auf den sie alle operativen und strategischen Initiativen ausrichten. Meist sind diese Positionierungen noch mit einem Hauch Vision und Mission versehen. Aber sie haben alle eines gemeinsam: Sie geben Mitarbeitern Mut, Lust und Sicherheit, in Zukunft erfolgreich zu sein. Diese Phänomene kennen wir in Deutschland seit neuestem hauptsächlich von der Fußball Nationalmannschaft.

Machen Sie den Selbsttest: Welche der folgenden Fragen könnten Sie für Ihr Unternehmen präzise sowie kurz und bündig beantworten:

– Ist uns klar, wofür unser Unternehmen beziehungsweise unsere Marke in Zeiten des digitalen Wandels steht, haben wir eine eindeutige Positionierung?

– Kennen wir die Identität unseres Unternehmens? Sind uns unsere Grenzen bewusst und handeln alle Führungskräfte und Mitarbeiter innerhalb dieses Rahmens?

– Wissen wir, was wir unseren Kunden versprechen und steuern wir aktiv, dieses Versprechen zu halten?

– Ist all unseren Mitarbeitern bewusst, was uns einzigartig, überlegen und wertvoll für unsere Kunden macht und bringen wir dies in allen Kontaktpunkten mit den Kunden zum Ausdruck, ohne es immer nur direkt zu sagen?

Selbstbewusst und klar statt illusionär

Wenn deutsche Technologieunternehmen, egal ob in der B2B oder B2C Welt, lernen, ihre funktionale, technologische Überlegenheit mit dieser sich selbstbewussten Führungskompetenz zu verbinden, werden sie die Agilität und Stabilität und damit die Resilienz ihres Unternehmens nachhaltig erhöhen, das heißt, es krisenfest und zukunftssicher machen. Wenn wir glauben, den oberflächlichen, extrovertierten Darstellungszwang marketinggesteuerter amerikanischer Unternehmen zu imitieren zu müssen, werden wir scheitern.

Riskante Fehleinschätzung deutscher Unternehmen: „Innovation ist der einzige Werttreiber“

So lange aber CEOs von DAX Konzernen in Interviews äußern, „nur Innovationen würden Wert für ihr Unternehmen schaffen“, wird der oben beschriebene Effekt nicht eintreten. Im Gegenteil, diese Ansicht ist hoch gefährlich. So geführte Unternehmen werden weiter ihre Spitzenleistungen nicht am Markt ausreichend kapitalisieren. Sie werden ihre Potenziale nicht ausreichend ausschöpfen und sie werden sich weiter wundern, warum deutsche Unternehmen auch in einigen wichtigen digitalen Disziplinen ihren amerikanischen Wettbewerbern weit überlegen sind und trotzdem das Vorurteil haften bleibt, die USA führt in Sachen Industrie 4.0 vor Deutschland. Denn eine Innovation für sich ist überhaupt nichts wert. Erst wenn sie glaubwürdig, relevant und differenzierend und damit wirksam vermarktet werden kann, wird sie das schöpfen, was sie wert ist.