Apple versagt beim Krisenmanagement

Es ist der Alptraum jedes Marketers. Ein Missstand in der Firma wird zu einem Skandal, der das sorgsam aufgebaute Markenimage beschädigt. Fans verwandeln sich in Kritiker, die dem Unternehmen seine Werbesprüche vorhalten wie einen Spiegel. Menschenrechtler bringen Unterschriftenlisten in die Läden. Der Unternehmenssprecher schweigt. Dafür wird ein Schreiben des CEO an die Mitarbeiter bekannt, das die Öffentlichkeit als arrogant empfindet. Die Rede ist von Apple, der Kultfirma aus Cupertino, und der Skandal betrifft die Zustände bei Apples Lieferanten, insbesondere in Asien. Auch nachdem der Konzern Anfang dieser Woche eine branchenweit einmalige Initiative zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen eingeleitet hat, ist die Kritik nicht verstummt. Zu spät, zu halbherzig lautet der Vorwurf an den Technikgiganten, der mit einer Marktkapitalisierung von 469 Milliarden Dollar das wertvollste Unternehmen der Welt ist.

Von Christine Mattauch

Was war passiert? Im Januar brachten die Radiosendung „This American Life“ und die New York Times Berichte über Apple-Zulieferer wie die chinesische Foxconn, die Kultprodukte wie iPhone und iPad herstellen. Das Ergebnis der Recherche fiel vernichtend aus: Unfälle und Explosionen; Arbeitstage von zwölf Stunden; Arbeiter, die mit 20 anderen in einem Appartment zusammengepfercht waren; wirkungslose Kontrollen. Apple hatte, wie so häufig bei Journalistenanfragen, eine Stellungnahme abgelehnt. Dafür kamen ehemalige Führungskräfte zu Wort. „Die meisten Leute wären verstört, wenn sie sehen würden, wo ihr iPhone herkommt“, sagte einer.

Die Berichte lösten eine geradezu orkanartige Diskussion aus – fast 1 800 Online-Kommentare gab es allein auf der Website der Times. Gleich zwei Bewegungen, Change.org und sumofus.org, sammelten binnen weniger Tage eine Viertelmillion Unterschriften gegen die Menschenschinderei. „You’re Apple. You’re supposed to think different“, schrieben die Aktivisten empört in Anspielung auf einen früheren Firmenclaim.

Apple blieb sprachlos, jedenfalls nach außen. Intern schrieb CEO Tim Cook eine E-Mail an seine rund 65 000 Mitarbeiter. „Leider stellen einige Leute unsere Werte in Frage“, klagte er darin. „Jede Unterstellung, dass wir uns nicht um unsere Zulieferer kümmern, ist falsch und beleidigend.“ Die Online-Community war fassungslos. „Was für ein aufgeblasener, arroganter Kerl“, war ein typischer Kommentar im Forum von Mashable.

Am Montag endlich reagierte Apple und kündigte umgehende Inspektionen seiner Zulieferer durch eine außenstehende Organisation an, Fair Labor Association. Damit aber war die Diskussion nicht beendet: Das sei eine industrienahe Organisation, die in Washington sitze, fernab von den Zentren der Schmuddelproduktion, kritisierten Arbeitsrechtsaktivisten. Was Krisenmanagement angeht, muss Apple noch lernen.

Der Konzern hat noch nicht verstanden, dass für den Branchenprimus andere Gesetze gelten als für den sympathischen Außenseiter, der Apple lange Zeit war. „Mehr Demut an den Tag legen, den Kunden zuhören“ – diesen Rat gab Julie Hennessy, Marketingprofessorin an der Kellogg School of Management der Northwestern University, dem Konzern schon vor eineinhalb Jahren. Die öffentliche Meinung könne sich beim Marktführer sonst sehr schnell drehen, warnte sie, „und das ist für das Unternehmen dann schwierig zu handhaben, weil es quasi über Nacht geschieht.“ Genau das ist jetzt passiert.

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