Ansätze zum Aufbau von Marken im Internet

Was ist eigentlich eine Marke? „BMW, Adidas und AOL sind Marken“, wird ein gut informierter Medienbürger vielleicht darauf antworten. Aber hat er damit den Begriff Marke erklärt, oder einfach nur das umgesetzt was ihm eine Werbebotschaft suggeriert hat? Sicherlich wird man beides weder eindeutig dementieren noch befürworten können. Das Beispiel zeigt aber deutlich, was eine Marke zu leisten im Stande ist. Sie ist ein Identifikations- und Erkennungszeichen, das sich in der menschlichen Erinnerungssystematik einprägt und bei Wiedererkennung spezieller Schlüsselreize (wie z.B. Farben oder Formen) daraus wieder abgerufen wird. Der Marketing-Psychologe spricht in diesem Zusammenhang vom „evoked set“ und definiert damit alle die Marken, welche beim Konsumenten unmittelbar abrufbar sind.

Tatsächlich ist eine Marke also nur ein körperloses Konstrukt, das alleine durch die Vorstellungskraft eines Menschen an Substanz gewinnt. Über den Umweg durch die menschliche Psyche, werden Marken so bestimmte (positive) Eigenschaften (z.B. Zuverlässigkeit, Dynamik oder Modernität) zugeordnet. Das Produkt (oder die Dienstleistung), für das die Marke eigentlich steht, verkörpert diese Eigenschaften und entwickelt sich in der Vorstellungswelt des Konsumenten vom Objekt zur Persönlichkeit. Das Produkt „trägt“ also die Symbolik der Marke, wie ein Mensch ein Kleidungsstück. Im Marketing-Jargon spricht man daher von einem Markenträger.

Es hängt nun von der Überzeugungskraft der Werbebotschaft ab, ob dieser marketingtechnische Trick am „Point of Sale“ seine Wirkung verliert oder zum Kaufentscheid des Konsumenten beiträgt. Am diesem Point of Sale wird der Konsument unweigerlich mit dem physischen Gegenstück der Marke – dem Produkt – konfrontiert. Bei klassischen Marken treffen hier Markenwelt und Produktwirklichkeit direkt aufeinander.

Anonymisierung des Verkaufes

An dieser marketingpsychologisch so wichtigen Verkaufsschwelle (Kaufentscheid des Konsumenten) hat in den letzten Jahrzehnt jedoch eine erhebliche Anonymisierung des Verkaufes eingesetzt. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen traten immer häufiger Einkaufzentren und Discounter an die Stelle der Fachgeschäfte. Die Verkaufsberatung fällt also zum kritischsten Zeitpunkt des Produkterwerbs in den meisten Fällen weg und überlässt es alleine der Aussagekraft der Marke, welches der heutzutage üppigen Palette an Substituten vom Verbraucher favorisiert wird. An dieser Verkaufsschwelle scheitern regelmäßig zahlreiche „Low-Involvement Marken“.

Ziel kann es hier also nur sein, die Verkaufssituation mit einen interaktiven Bestandteil zu bereichern, oder die Markenidentität selbst um ein weitere, sehr viel stärker polarisierende Komponente zu erweitern. Diesen Anforderungen kann nur ein medialer Auftritt im Rahmen
der Internets gerecht werden.

Konkurrenzkampf in der digitalen Welt

Sicherlich ist auch das Internet (bzw. das World Wide Web) kein Allheilmittel für die Probleme klassischer Markenwelten, aber die Nutzungsdimensionen dieses Mediums dürfen aus marketingstrategischer Sicht nicht ungenutzt bleiben. Über kurz oder lang wird sich der allgegenwärtige Konkurrenzkampf auf die digitale Welt im Computer abgebildet haben. Dort werden dann Reaktionsgeschwindigkeiten erreicht, denen heutige Marketingstrategien nicht mehr gewachsen sein werden. Für die Implementierung des Internet in eine moderne Markenstrategie sprechen drei Besonderheiten des Mediums: Multimedialität, Interaktivität und Integrativität.

Multimedialität beschreibt in diesem Zusammenhang die Ansprache mehrer menschlicher Sinne u.a. durch Text, Sprache, Bilder, Filme, Töne und Musik. Gerade in der bilddominanten Zeit unserer Gesellschaft ist das Internet durch seine multimedialen Eigenschaften in der Lage das körperlose Konstrukt „Marke“ mit einer der Markenpersönlichkeit entsprechenden Substanz zu füllen. Beispielhaft für eine typische Low-Involvement Food-Marke kann in diesem Zusammenhang das Produkt „Pringles“ von Procter & Gamble herangezogen werden. Die Marke Pringles wird von der Herstellerfirma als eigenständige Marke geführt und hat somit auch eine eigene Internetpräsenz erhalten (http://www.pringles.com/).

Obwohl das Produkt selbst nur relativ geringe Aussagekraft besitzt, umfasst die Webpräsenz aber ein multimediales Konzept zur Produktpräsentation, dass die Marke als umfassende charakterliche Komposition präsentiert. Erreicht wird das durch eine geschickte Kombination aus erfrischendem Entertainment, gestalterischer Modernität und jugendlicher Dynamik. Die Marke strahlt in gewisser Weise die Lebensphilosophie der jungen Generation aus und erreicht damit die gewünschte Identifikationsfähigkeit eines modernen Markenkonzeptes

Interaktivität simuliert Dialogbeziehung

Profilbildend wirkt aber nicht nur die gestalterische Komponente des Mediums, sondern vor allem auch die Möglichkeit der wechselseitigen Kommunikation zwischen Konsument und im Internet aufgebauter Marke. Interaktivität simuliert dabei individualisierte Dialogbeziehungen, die durch die persönliche Ansprache eine quasi-soziale Kompetenz suggerieren können. Die Beziehung zwischen Produkt und Verbraucher wird so „humanisiert“ und eine Echtzeit-Verkaufsberatung implementiert. Graphische Avatare (intelligente Programme, die den Internetnutzer durch das Angebot einer Seite führen) können in diesem Zusammenhang das Internetangebot einer Marke als „Online-Fachgeschäft“ darbieten.

Beispielhaft für eine intelligente Benutzerapplikation soll hier der Car Configurator der Automobilfirma BMW genannt werden. Dieses Angebot ist als eigenständige JAVA-Applikation in das Angebot von BMW Deutschland im Internet integriert worden (http://www.bmw.de/carconfigurator/). Bereits mit den Begrüßungsworten „Konfigurieren Sie Ihren Traum BMW“, wird bereits der Zweck dieses Angebots deutlich. Nahezu aus der gesamten Produktpalette der Dachmarke BMW kann sich der Konsument hier ein individualisiertes Modell selbst zusammenstellen und wird dabei durch intelligente Benutzerführung und geschickt platzierte Hinweise durch das Angebot geführt. Das Produkt wird damit zum einen interaktiv erlebbar und zum anderen individuell gestaltbar.

Quasi-emotionale Bindung

Integrativität vereint nun die beiden erstgenannten Begriffe in der Verbraucherreaktion einer Identifikation mit der Internetmarke. Denn vergleicht man die Erfahrungen eines Konsumenten mit einer im Internet präsenten Marke mit der sozialen Wirklichkeit, so ist eine auffällige Ähnlichkeit mit typischen zwischenmenschlichen Beziehungen zu beobachten.
Erstens kommuniziert ein Mensch regelmäßig mit allen Sinnen mit seiner Umwelt und zweitens greift er gestaltend in sie ein oder wird interaktiv durch sie beeinflusst. Durch die Erweiterung der Markenidentität um diese soziale Komponente, prägt sich das Erlebnis der Marke durch den Konsumenten im Medium Internet sehr viel stärker ein und wirkt deutlich polarisierender im Moment der Kaufentscheidung. Durch die Erfahrungen, die der Konsument mit der Marke auf der Eben der digitalen Kommunikation gemacht hat, ist eine quasi-emotionale Bindung entstanden. Diese Bindung löst Vertrauen aus und überwindet in geschickter Art und Weise die Problematik der Anonymisierung heutiger Verkaufsschwellen.

Die Basis menschlichen Vertrauens orientiert sich nun einmal daran, wie genau man jemanden kennt oder welche Bedeutung man dieser speziellen Beziehung zuordnet. In einer derart vom Konsum geprägten Welt macht es dabei auch keinen Unterschied ob es sich um Mensch-Mensch, oder um Mensch-Objekt-Beziehungen handelt, denn Menschen differenzieren und identifizieren sich über das was sie konsumieren und wie sie es präsentieren. Marken als „Aushängeschilder“ unseres eigenen Charakters kommt dabei eine immer stärkere soziale Bedeutung zu.

Bildet sich dieses soziale Gefüge nun auch weiterhin von der realen Wirklichkeit in die Welt des digitalen Informationsaustausches ab, so erzeugt eine im Internet aufgebaute und geführte Marke eine quasi-soziale Persönlichkeit, die der Verbraucher als soziales Objekt akzeptiert.
Identifikatorisch für sich selbst, hat der Konsument so aus seiner Perspektive einen Stellvertreter in der Welt des Internet gefunden, der ihn über die Grenzen der Wirklichkeit hinaus, auch dort repräsentieren kann.

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Autor: Stefan Matzdorf www.matzdorf.net

eingestellt am 29. November 2001

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