Amazon genießt das größte Vertrauen

Der Online-Versandhändler Amazon ist erneut der klare Sieger des „Proposition Index“ der internationalen Strategieberatung OC&C. Die Einzelhandelsstudie analysiert das Leistungsversprechen führender Unternehmen. Für die Analyse 2011 wurden über 3 300 deutsche Konsumenten zu 65 deutschen Einzelhändlern aus den Sektoren Baumärkte (Do-it-yourself DIY), Drogerien, Lebensmitteleinzelhandel (LEH), Textileinzelhandel, Unterhaltungselektronik sowie Multisortimenter/Warenhäuser zu den wichtigsten Kaufkriterien befragt. Neben Preis und Preis-Leistungsverhältnis haben die Befragten auch die Dimensionen Produktqualität und -auswahl, Einkaufserlebnis, Service, Kundenvertrauen sowie den Onlinekanal der Händler bewertet. Nur rund die Hälfte der untersuchten Unternehmen erhielten sehr gute oder gute Beurteilungen.

Christian Ziegfeld, der für die Studie verantwortliche Partner bei OC&C, erklärt: „Der Preis allein reicht im Einzelhandel schon lange nicht mehr aus, um nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Neugeschäft und loyale Kunden gewinnen Einzelhändler nur durch ein insgesamt ausgezeichnetes Leistungsversprechen.“ Amazon überzeuge mit ausnahmslos sehr guten Resultaten in sämtlichen Kategorien des Leistungsversprechens. „Die meisten Wettbewerber genießen dagegen meist nur bei einzelnen Kriterien hohes Ansehen“, sagt Ziegfeld weiter. Das Ranking der deutschen Handelsunternehmen führt Amazon mit großem Vorsprung an. Das Online-Warenhaus spielt aus Kundenperspektive in einer eigenen Liga. Wie im Vorjahr folgt die Drogeriemarktkette dm auf dem zweiten Platz. Sie schneidet insbesondere bei den Kriterien Kundenvertrauen und Preis-Leistungsverhältnis sehr gut ab, musste allerdings im Vorjahresvergleich insgesamt leichte Verluste in Kauf nehmen.

Den dritten Platz belegt in diesem Jahr Globus. Der Lebensmittelhändler glänzt beim Preis-Leistungsverhältnis und der Produktqualität. Auf den weiteren Plätzen folgen Douglas, Thalia und Ebay. Bester Aufsteiger ist Zara (Platz 16) – im Vergleich zum Vorjahr konnte der Textileinzelhändler 20 Plätze gut machen. Die Produkte von Zara werden von den Kunden mit dem höchsten Modegrad bewertet. Ein besonders renommierter Player, der stark nachgegeben hat, ist Aldi. Der Discounter belegte im Vorjahr noch den dritten Platz und bricht in diesem Jahr auf Rang 13 ein. Obwohl Aldi bei den Kriterien Preis und Preis-Leistungsverhältnis weiterhin gut abschneidet, machen sich die steigenden Rohstoffpreise der vergangenen Monate bereits negativ bemerkbar. Zudem nutzen Wettbewerber ihre Stärken in anderen Elementen des Leistungsversprechens wie Qualität und Service. Im LEH-Bereich musste Aldi damit nicht nur Globus, sondern auch Kaufland (Platz 8) passieren lassen.

Neben Aldi zählen weitere Niedrigpreis- und Discountformate zu den Verlierern. Im Lebensmitteleinzelhandel leidet insbesondere Penny unter den Schwächen seines Konzepts und wird sich in Zukunft nur schwer gegenüber Aldi und Lidl behaupten können. Im textilen Einzelhandel führt Kik zwar die Kategorie Preis an, hat jedoch mit Blick auf die Gesamtpositionierung weiter an Boden verloren und rangiert am Ende des Feldes auf Platz 63. Aufgrund steigender Beschaffungspreise konzentriert sich Kik sehr stark auf eine effiziente Lieferkette. Dieser Fokus geht klar zu Lasten der Kundenwahrnehmung: Das Vertrauen in die Marke hat stark gelitten. Insgesamt ist Kik für zukünftige Herausforderungen heute schlechter gerüstet als der etwas besser positionierte Konkurrent Takko.

Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass deutsche Drogeriekonzepte Weltspitze sind. Drogeriemarktketten wie dm, Rossmann oder Müller und die Parfümerie Douglas bieten ihren Kunden ein echtes Einkaufserlebnis zu günstigen Preisen. Vom positiven Händlerimage konnten auch erfolgreiche Eigenmarkenkonzepte profitieren. Ein anderes Bild ergibt sich im Textilhandel und Baumarktbereich – hier hat das Ausland die Nase vorn. Der Textilhandel zeichnet sich durch immer globalere Kundenbedürfnissen aus. Bedrängte gestern noch H&M den deutschen Markt, kommen morgen Primark, Berschka oder Abercrombie. Deutsche Modeunternehmen, die dem nichts entgegensetzen können, sehen schweren Zeiten entgegen. Der Baumarktbereich schneidet sowohl bei nationalen als auch bei internationalen Kunden mit Abstand am schlechtesten ab. Die Branche leidet unter einem kontinuierlich steigenden Leistungsversprechen, das sich vor allem in einer breiteren Auswahl zeigt, bei gleichzeitig sinkenden Preisen. Praktiker hat mit einer verfehlten Preisstrategie sein Leistungsversprechen nachhaltig beschädigt. Der permanente Ertragsdruck hat fatale Folgen für den Service, der letztlich oft auf der Strecke bleibt. Im Baumarktbereich herrscht derzeit anhaltender Konsolidierungs- und Übernahmedruck, der sich erst nach einer Marktbereinigung wieder entspannen wird.

Der Erfolg reiner Onlinehändler (sogenannte Pureplay Online) ist in Deutschland noch vergleichsweise schwach. Einzig die Giganten Amazon und Ebay tummeln sich hier unter den besten Einzelhändlern. Erst auf Platz 35 kommt mit Notebooksbilliger der drittbeste Onlineanbieter. Der Grund: Viele Onlinehändler sind in Deutschland erst seit relativ kurzer Zeit auf dem Markt und deshalb noch nicht etabliert. In Großbritannien finden sich heute schon weitere reine Online-Anbieter auf den vorderen Plätzen. Ein Blick in die Unterhaltungselektronik zeigt die Vorteile des Online-Kanals. Wenig überraschend setzt er sich vor allem in der Preisstellung gegenüber dem stationären Wettbewerb durch. Erstaunlich ist jedoch, dass Onlinehändler beim Kundenvertrauen besser abschneiden. Klassischerweise liegt das stationäre Einkaufserlebnis mit besserem Service und Beschwerdemanagement vorne, doch mittlerweile genießt der Online- bzw. Multichannelhandel das größere Vertrauen bei Verbrauchern. Neben Amazon und Ebay wird die Ehre des deutschen Onlinegeschäfts vor allem durch Multichannelanbieter hochgehalten. Tchibo kann sich nach erfolgreichem Turnaround unter den Top Ten behaupten. Auch im deutschen Mittelstand gibt es mit Sportscheck oder Ulla Popken Vorbilder für erfolgreiche Multichannelstrategien. Dr. Andreas Enders, ebenfalls Partner bei OC&C, sagt zur zukünftigen Entwicklung des Einzelhandels: „Der Trend zu Multichannelkonzepten wird sich unaufhaltsam fortsetzen. Weil der Multichannelkunde hohen Umsatz garantiert, sind Einzelhändler gut beraten, die Vertriebskanäle einheitlich auszurichten.“

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