„Agilität ist der neue Dauerzustand“

Agil ist nicht nur ein neues Buzzword im Marketing, sondern ein nachhaltiger Trend. Agil steht für Schnelligkeit und Flexibilität, aber vor allem für eine Fokussierung auf den Kunden – im gesamten Unternehmen
Udo Klein-Bölting, Managing Partner & CEO von Batten & Company (l.), Robin Ruschke, Director Brand Strategy bei Sixt und Jochen Sengpiehl, Vice President Marketing bei Hyundai Motor Europe (r.) über Agilität in ihren Unternehmen

Fehler zulassen

Bei Sixt legt man großen Wert darauf, neue Dinge auszuprobieren, Fehler zuzulassen und aus diesen zu lernen. Deshalb warnt auch Kühn vor einer Stigmatisierung von Fehlern. Vielmehr sollten sie als Erkenntnisgewinn gesehen werden. Das Streben nach der perfekten Lösung dagegen geht zulasten der Zeit, die Unternehmen im heutigen Wettbewerb nicht mehr unbedingt haben. Berater Klein-Bölting sieht dabei heute kein Problem, mit einer 80- oder 90-Prozent-Lösung an den Markt zu gehen: „Wir leben nicht nur im agilen, sondern auch im Releasezeitalter. Wir sind es gewohnt, Releases nicht mehr als reine Fehlerbeseitigung, sondern als permanente Verbesserung anzusehen.“

Auf die richtige Balance kommt es an

Doch der Weg zu einer agilen Marketingorganisation ist kein leichter. Insbesondere etablierte Unternehmen tun sich schwer mit dem Wandel, weil Agilität ein neues Kulturverständnis und Verhalten erfordert. Das Marketing muss sein altes Silodenken aufgeben. „Dies erfordert eine neue Offenheit, ein stärkeres Miteinander, flachere Hierarchien und die Demokratisierung von Inhalten und Wissen. Alle Abteilungen entlang der Customer Journey müssen weg vom vertikalen hin zum horizontalen Denken und Handeln kommen“, skizziert Sengpiehl die notwendigen Schritte auf dem Weg zur agilen Marketingorganisation. Im Zuge dieser Entwicklung erwartet der CMO eine extreme Veränderung der Berufsbilder über alle Abteilungen hinweg mit einem starken Bezug zum Kunden.

Eine agile Marketingorganisation braucht zudem Transparenz. Dazu gehört einmal eine Transparenz über die laufenden Projekte, damit die Teams voneinander wissen. Außerdem müssen sie Daten und die Informationen zur Verfügung gestellt bekommen, die sie zur Erledigung ihrer Projekte benötigen. Und man braucht einen Prozess, nach welchen Kriterien entschieden wird, ob ein Projekt weitergeführt oder eingestellt wird. Dafür bedarf es einer Transparenz der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, denn sonst können die Teams die Verantwortung, die sie tragen sollen, nicht wahrnehmen. Eine Transparenz, vor der viele Unternehmen zurückschrecken, weil sie zum einen diese Transparenz nicht wollen und zum anderen befürchten, dass essenzielle Informationen an den Wettbewerb gelangen könnten. „Es kommt eben, je nach Projekt und Ziel, auf den richtigen Grad der Transparenz an. Und eine souveräne Haltung ist wichtig“, weiß Klein-Bölting aus den Kundenprojekten.

Bewährte Dinge nicht grundsätzlich verfluchen

Für Karsten Kühn kann Agilität, je nachdem in welcher Ausprägung man sie betreibt, Unternehmen in den Grundfesten erschüttern. Es komme darauf an, die tragenden Säulen, die für den Erfolg des Unternehmens stehen, sorgsam im Blick zu behalten. „Es ist immer ratsam, die bewährten Dinge nicht grundsätzlich zu verfluchen, wenn man sich mit der Zukunft beschäftigt“, mahnt der CMO. Zumal die Säulen der Vergangenheit häufig die finanziellen Mittel für die Gestaltung der Zukunft liefern. Auch zukünftig werden sich Unternehmen am Markt behaupten, die ihre Marken exzellent führen und nicht oder nur eingeschränkt agil aufgestellt sind. Generell werden sie sich aber nicht dem Thema Geschwindigkeit verschließen können. Deshalb glaubt Kühn, dass für die meisten Unternehmen mehr denn je der Satz gilt: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit